Empathie, hermeneutisches Verstehen oder Konstruktion? Das Erkenntnisverfahren in der klientenzentrierten Psychotherapie
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Abstract
Rogers war zutiefst von der Möglichkeit unmittelbarer und direkter Erfahrung überzeugt, sodass er es offensichtlich nicht für notwendig erachtete, das Erkenntnisverfahren der klientenzentrierten Psychotherapie, das empathische Verstehen, methodisch zu begründen. Er ging davon aus, dass wir durch unmittelbares, einfühlendes Miterleben einen direkten Zugang zum Erleben des Klienten erhalten und seinen "inneren Bezugsrahmen" genau wahrnehmen können. W. Keil hat versucht den Empathie-Begriff Rogers mit der hermeneutischen Methode zu verbinden und dafür den Begriff der „hermeneutischen Empathie" verwendet. Entsprechend dem hermeneutischen Verfahren können wir die (Erfahrungs-)Welt des anderen nicht unmittelbar betreten, sondern immer nur ausgehend von unseren eigenen (Vor-)Erfahrungen und durch Analogieschlüsse die Erlebnisse des anderen nach-empfinden, wie dies vor allem W. Dilthey und H. Gadamer dargestellt haben.
Dieser hermeneutische Verstehensprozess bezieht sich jedoch nur auf die dem Klienten zugänglichen, d .h. bewussten Selbstanteile seiner Erfahrung oder bestenfalls auf den "Rand der Gewahrwerdung". Die abgewehrten oder verzerrten, inkongruenten Erfahrungsbereiche können damit nicht erfasst werden, da sie dem Klienten selbst nicht zugänglich sind. Hier versucht Keil das „szenische Verstehen" des Analytikers A. Lorenzer einzubeziehen, wobei im Rahmend es Übertragungs-Gegenübertragungs-Prozesses, analog den vorsprachlichen sensomotorischen Austauschprozessen in der frühen Mutter-Kind-Dyade, die unbewussten, sprachlosen Interaktionserfahrungen erfasst und symbolisiert werden können.
Für J. Finke gruppiert sich therapeutisches Handeln um die beiden Grundpositionen Empathie und Interaktion; dabei geht es um identifikatorische Teilhabe einerseits und um dialogische Gegenüberstellung andererseits. Aber auch bei Finke bleibt offen, wie wir den Zugang zum Erleben des Klienten, insbesondere zu den abgewehrten und verzerrten Erfahrungen finden; wie aus der gemeinsamen Interaktion mit dem Klienten jene Begriffe und Erlebnisfiguren herausgelöst werden, die dann auf dem Raster einer Persönlichkeitstheorie oder Störungslehre eingetragen und dargestellt werden können.
Die methodische und wissenschaftstheoretische Begründung des Erkenntnisverfahrens ist nicht nur deswegen von Bedeutung, um die klientenzentrierte Psychotherapie als wissenschaftliche Methode auszuweisen, sondern auch für das therapeutische Verfahren selbst, denn Verstehen und Verändern sind im therapeutischen Prozess nicht zu trennen.
Zitationsvorschlag
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Empathie, Epistemologie, Hermeneutik, Interpretation, Konstruktion, Phänomenologie, szenisches Verstehen